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„Es geht immer um den gemeinsamen Weg“

Günter Distelrath zur Corona-Krise

(Foto: Niedersächsischer Fußballverband)

Es sind aufregende Zeiten, auch für Günter Distelrath. Er ist Vizepräsident des DFB, Präsident des Norddeutschen Fußball-Verbandes und Präsident des Niedersächsischen Fußballverbandes. Also erlebt Distelrath derzeit auf ganz verschiedenen Ebenen, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf den Fußball hat. Als Spitzenmann des NordFV beschäftigt ihn die Regionalliga der Herren dabei besonders intensiv.


Günter Distelrath, die Ungewissheit ist groß in diesen Tagen, und niemand weiß, wann wieder Fußball in der Regionalliga gespielt werden kann. Aber gibt es vielleicht ein Datum in naher Zukunft, mit dem Sie etwas mehr Klarheit verbinden?

Günter Distelrath: Wir mussten lernen, im Zusammenhang mit Corona auf Sicht zu denken. So wollen wir mit den Vereinen zwar nicht umgehen, weil sie Sicherheit und verlässliche Informationen brauchen. Aber wir müssen uns eben stark an den behördlichen Anordnungen orientieren. Da erwarten wir von der nächsten Sitzung des Corona-Kabinetts am 6. Mai einige konkrete Antworten. Eines ist aber sicher: Der Fußball ist eine Kontaktsportart, und da das Distanzgebot ein zentrales Element der Corona-Maßnahmen ist, werden wir auf absehbare Zeit im Amateurbereich kein konkretes Datum für die Wiederaufnahme eines Mannschafts-Spielbetriebs haben. Wir brauchen deshalb ein perspektivisches flexibles Konzept mit einer sich stetig anpassenden Strategie.

Wie nehmen Sie die Stimmung in den Vereinen und Verbänden wahr?

Sie ist von Unsicherheit geprägt. Keiner weiß, wie sich die Situation weiterentwickelt. Was die Verbände betrifft, sind wir sehr aktiv dabei, einheitliche, belastbare Lösungen zu finden. Bei den Vereinen wie auch bei den Verbänden kommt dazu, dass neben rein sportlichen Momenten natürlich auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen. Dort ist die Unsicherheit umso größer.

Wie stellt sich das Meinungsbild der Vereine dar?

Wir stehen im ständigen Austausch und sind jetzt dabei, das Meinungsbild der Vereine in schriftlicher Form abzufragen. Dies werden wir danach in einer Videokonferenz diskutieren und das Ergebnis dann im zuständigen Gremium, gegebenenfalls sogar in einem außerordentlichen Verbandstag, zur Entscheidung bringen. Ich weiß aber von Reenald Koch, dem Vorsitzenden des Regionalligaausschusses und Jürgen Stebani, dem Vorsitzenden des Spielausschusses, dass die Vereine sich bei allen eigenen Sorgen bewusst sind, dass auch der Verband in einer schwierigen Situation ist. Er muss für einen fairen Ablauf der Saison in der gesamten Liga sorgen, also nicht nur aus Sicht einzelner Vereine. Dies erfordert schwierige Entscheidungen. Es fällt uns allen sehr schwer, dabei alle Wünsche zu berücksichtigen.

Haben Sie das Gefühl, dass Vereine und Verbände in einem Boot sitzen?

Ja, diesen Eindruck habe ich. Das ist auch sehr positiv zu würdigen und Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung. Alle sind sich bewusst, dass wir am Ende zu keiner für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung gelangen werden. Nicht unter den gegebenen Umständen. Es geht darum, die am wenigsten belastende Lösung zu finden.

Welche persönlichen Erfahrungen machen Sie mit der Corona-Krise?

Eine ganze Menge, dabei auch positive. Wir gehen ja alle in die gleiche Richtung mit dem Ziel, so früh wie möglich, aber auch so sorgfältig wie nötig, den normalen Alltag mit Corona zu erreichen. Und es ist positiv zu erleben, dass eigene Interessen häufig hintenangestellt werden. Weiterhin positiv erlebe ich den intensiven Austausch mit Gremien oder Vereinen, unter anderen in zahlreichen Videokonferenzen, die ja für Viele etwas ganz Neues sind. Alle sind bereit, diesen Weg mitzugehen. Dass wir gelegentlich auch mal unterschiedlicher Auffassung sind, ist klar. Aber es geht immer um den gemeinsamen Weg – auch wenn der nicht immer nur Vorteile für alle bringen wird. Die Vereine signalisieren uns: Wir wissen, dass es auch für Euch schwer ist, aber wir vertrauen Euch.

Der gemeinsame Weg beschreibt in erster Linie den Umgang mit der laufenden Saison. Haben Sie auch den Eindruck, dass der Trend in dieser Hinsicht eher in Richtung eines Abbruchs geht und eine Unterbrechung nicht mehr eine so große Rolle spielt?

Ich möchte hier dem Meinungsbild unserer Regionalliga-Vereine nicht vorgreifen. Hinzu kommt, dass auch der Saisonablauf der 3. Liga noch eine Rolle spielt und natürlich die behördlichen Anordnungen. Im Trend geht es sicher wie in den anderen Regionalverbänden in Richtung Abbruch.

Nehmen wir an, es käme zu einem Abbruch. Neben der Frage, ob die Saison dann gewertet oder annulliert wird, ist in diesem Zusammenhang immer von einem Haftungsrisiko des Verbandes die Rede. Was verbirgt sich eigentlich dahinter?

Mit dem Haftungsrisiko ist verbunden, dass die Vereine im Fall eines Abbruchs gegebenenfalls Schäden reklamieren und diese gegenüber dem Verband geltend machen. Das betrifft etwa Verluste bei Banden- und Trikotwerbung. Die Sponsoren könnten ja ganz unterschiedlich auf einen Abbruch reagieren, zum Beispiel ein Drittel der Zahlungen zurückfordern oder die letzte Rate zurückhalten. Andererseits ist die Auf- und Abstiegsfrage betroffen. Auch da sind diverse Ansprüche denkbar, wenn eine Saison nicht sportlich zu Ende gebracht wird. Unter anderen mit diesen Risiken ist ein Abbruch verbunden. Inwieweit diese Ansprüche dann tatsächlich durchsetzbar sind, kann aktuell niemand verlässlich beantworten. Wir befinden uns ja in einer Situation, zu der es keine Vorbilder gibt. Aber es zählt zu den Aufgaben des Präsidiums eines Verbandes, diesen und auch seine persönlich haftenden BGB-Vorstände vor Schäden und Risiken zu bewahren. Insofern müssten wir im Fall eines Abbruchs auch eine entsprechende Lösung finden.

Es wird völlig zurecht über die wirtschaftlichen Sorgen der Vereine gesprochen. Aber wie steht es in dieser Hinsicht um den Norddeutschen Fußball-Verband?

Wir bekommen weder Zuschüsse vom DFB noch aus staatlicher Hand. Der NFV finanziert sich ausschließlich über die Abgaben aus Zuschauereinnahmen der ersten vier Spielklassen. Da dort derzeit keine Einnahmen erzielt werden, fehlt uns das Geld. Aktuell haben wir ausreichend liquide Mittel. Als Sofortmaßnahme haben wir unsere Kosten auf ein Minimum heruntergefahren. Nun arbeiten wir an einer langfristigen und tragfähigen Lösung.

Und wenn die Corona-Krise irgendwann überstanden ist: Wie wird dann der Amateur-Fußball aussehen?

Zunächst einmal glaube ich, dass die überragende gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs und die soziale Kraft der Sportvereine wieder weit sichtbarer und bewusster werden wird, denn sie wird hoffentlich bald wieder jeden Tag millionenfach gelebt. Von daher bin ich überzeugt, dass das Interesse am örtlichen Fußball steigen wird. Man lernt gerade jetzt den Wert des Miteinanders schätzen, den Austausch auf den Anlagen und das gemeinsame Erleben eines Spiels. Mittlerweile weiß man, wie wertvoll die Stunden am Fußballplatz sind. Das sollte sich positiv auf die Zuschauerzahlen auswirken. Umgekehrt glaube ich aber auch, dass es durchaus negative Auswirkungen auf Mitglieder und Mannschaftszahlen, gerade im Jugendbereich, geben könnte, wenn auf Dauer ein Spielbetrieb im Wettbewerb nicht realisiert werden kann. Insbesondere Jugendliche wollen einen Wettbewerb spielen, und der kann selbst durch ein regelmäßiges Training nicht ersetzt werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

(Das Interview führte Stefan Freye)

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