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„Wir befinden uns alle in einer ungewohnten Situation“

Pablo Thiam zur Lage beim VfL Wolfsburg II

(Foto: hansepixx.de)

Jetzt ist Haltung gefragt, und in Wolfsburg legt man sie an den Tag: In bemerkenswert fairer Weise gehen Pablo Thiam und der VfL II mit der verpassten Aufstiegschance in die 3. Liga um. Der Sportliche Leiter der Wolfsburger macht aus der Enttäuschung keinen Hehl, will die Entscheidung aber akzeptieren – man wisse, dass der NFV es sich nicht leicht gemacht hat.

Die Zeiten sind schwierig, ungewohnt in jeder Hinsicht. Die Corona-Krise hat den Fußball in eine besondere Situation gebracht, und das gilt auch für die Regionalliga Nord. Es wurde viel besprochen in den vergangenen Wochen, abgewägt, diskutiert und auch mal gestritten. Mittlerweile ist relativ sicher, wie es weitergeht mit der laufenden Saison: Sie wird abgebrochen und mithilfe der Quotienten-Regelung gewertet - keine Mannschaft muss die Spielklasse verlassen, und der Tabellenführer VfB Lübeck soll in die 3. Liga aufsteigen. Diesen Vorschlag wird das Präsidium des Norddeutschen Fußball-Verbandes auf dem außerordentlichen Verbandstag Ende Juni unterbreiten. Er entspricht in weiten Teilen den Wünschen der beteiligten Vereine und sorgt für Klarheit. Nun ist wenigstens in dieser Hinsicht ein bisschen Zeit für Entspannung.

Aber die Zeiten bleiben schwierig, und es gibt nicht nur Gewinner. „Natürlich sind wir enttäuscht“, sagt Pablo Thiam. Er ist Sportlicher Leiter des VfL Wolfsburg II, dem Zweiten der Regionalliga Nord. In der noch immer aktuellen Tabelle werden die Niedersachsen durch fünf Punkte vom VfB Lübeck getrennt. Sie befinden sich jedoch mit einem Nachholspiel im Rückstand, und Pablo Thiam findet, sein Team „hätte alle Möglichkeiten“ auf den Titel gehabt. Lange hatten sich der VfB und der VfL II ein Kopf-an-Kopf geliefert; immerhin neunmal lagen die Wölfe an der Tabellenspitze, ehe sich ihr Konkurrent etwas absetzte. Der VfL Wolfsburg plädierte deshalb für ein sportliches Duell. In direkten Duellen gegen den VfB Lübeck hätte die Entscheidung über die Meisterschaft und den Aufstieg fallen sollen. „Jeder will das Beste für seinen Verein“, sagt Pablo Thiam.

Es kam anders. Das Präsidium des Norddeutschen Fußball-Verbandes verschaffte der Quotienten-Regelung hinsichtlich der Aufstiegsfrage Geltung. „Wir befinden uns alle in einer ungewohnten Situation, und ich verstehe, dass der NFV eine schwierige Entscheidung zu treffen hatte“, sagt Thiam – und akzeptiert das Votum. Natürlich hatte sich der VfL Wolfsburg II das alles ganz anders vorgestellt. Nachdem der Bundesliganachwuchs allein dreimal - nämlich 2014, 2016 und 2019 - in den Aufstiegsspielen an der 3. Liga gescheitert war, sollte es diesmal klappen. Erstmalig offerierte sich dem Meister der Regionalliga Nord ja auch die Chance ganz ohne Qualifikationsrunde den Gang in die dritthöchste Spielklasse anzutreten. Es sah angesichts des Zweikampfs mit dem VfB Lübeck auch nicht schlecht aus – doch dann kam Corona. „Wir sind ein Opfer dieser Situation und keinesfalls sportlich gescheitert“, betont Pablo Thiam. Andererseits ordnet der Sportliche Leiter, seit 2018 auch für die gesamte Nachwuchsakademie des VfL verantwortlich, die derzeitige Lage ausgesprochen sachlich ein: „Unter Corona leiden derzeit sehr viele Menschen, da darf sich der Fußball nicht hervorheben.“

In Wolfsburg ist man sich auch durchaus bewusst, wie viele Menschen im Norden denken: Natürlich steigt der VfB Lübeck zurecht in die 3. Liga auf. Er hat als Tabellenführer der Regionalliga Nord seine sportliche Qualifikation unter Beweis gestellt und kann auf eine lange Tradition verweisen. Ein solcher Verein ist gut aufgehoben in dieser Spielklasse. Die Argumente für einen Aufstieg des VfL Wolfsburg II werden allgemein als nicht ganz so nachhaltig wahrgenommen. Aber da macht Pablo Thiam nicht mit: „Wir kommen in diesem Zusammenhang zu schlecht weg.“ Man habe in Wolfsburg nämlich nie versucht, sich die 3. Liga zu erkaufen. Der angepeilte Aufstieg sei vielmehr immer ein Teil des Ausbildungskonzept gewesen: In der nächsthöheren Spielklasse ließe sich die Durchlässigkeit im eigenen Verein verbessern – mit Spielern, die überwiegend aus der Region stammen. Daneben bringe der VfL seit vielen Jahren dank seiner Nachwuchsabteilung immer wieder zahlreiche Kicker in den bezahlten Fußball. „Da profitieren auch andere von unserer Arbeit, wir sitzen letztlich alle in einem Boot“, so Thiam.

Wie seine zahlreichen Kollegen steht er nun vor der Aufgabe, die kommende Saison vorzubereiten, ohne zu wissen, wann sie beginnt. Pablo Thiam geht es dabei vor allem darum, „nicht zu jammern, sondern Lösungen zu finden“. Eine Prognose lässt sich dagegen nicht stellen. „Ich habe uns aber sowieso noch nie zu den Favoriten erklärt“, sagt Thiam. Ein Team, das „mitspielen kann“, möchte er aber schon an den Start bringen. Und klar, der VfB Lübeck wird als Aufsteiger in die 3. Liga nicht mehr zu den Konkurrenten um den Titel zählen. Pablo Thiam: „Wir gratulieren und drücken dem VfB die Daumen.“
 


(Text: Stefan Freye)

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